Simone steht am Herd und schüttet Sojasauce über sein gegartes Gemüse. Dazu gibt es zwei Scheiben Toast mit Butter. Bianca sitzt mit ihrem Laptop am Küchentisch und schnippt die Asche ihrer selbstgedrehten Zigarette in den Aschenbecher vor ihr. Als ich den Kühlschrank öffne, muss ich kurz schlucken. An der Rückwand hängen matschige Salatblätter, der Brokkoli feiert bestimmt bald seinen ersten Geburtstag.
Wohnen in Turin
Ich wohne zurzeit in Turin. Im Zimmer von Edoardo, mit dem ich im Juli durch Israel und Palästina gereist bin. Und seit meinem vorübergehenden Einzug in die Studenten-Wohnung durchlebe ich regelmäßig Flashbacks. Plötzlich habe ich wieder den Geruch des Schimmelentferners in der Nase, der in meiner alten WG zum Inventar gehört hat, sehe die Maden der Lebensmittelmotten durch die Küche kriechen und höre den Obermieter schreien, dass wir verdammt nochmal leiser sein sollen. Madonnna mia, ich bin so froh, eine eigene Wohnung zu haben.
Torino: Die unterschätzte Hauptstadt des Piemonts
Aber für die kurze Zeit bin ich mehr als dankbar für meine Schlafmöglichkeit. Tagsüber bin ich ohnehin unterwegs. Stundenlang laufe ich durch die Straßen der völlig unterschätzten Hauptstadt der Region Piemont. Zufällig kann ich neben der Artissima Fair auch die World-Press-Photo-Exhibition besuchen. Ich esse frischen Fisch, selbstgemachte Pasta, Carne Crudo und trinke Bicerin, eine Turiner Spezialität, die aus Espresso, Kakao und Vollmilch gemacht wird. Die Architektur der Gebäude und die breiten Straßen, die bereits mit üppiger Weihnachtsbeleuchtung geschmückt wurden, sind beeindruckend. Ich fühle mich klein, winzig, und verliere mich in der von Touristen links liegen gelassenen Stadt.
Sightseeing in Turin
Ich lasse kaum einen Aussichtspunkt aus. Ich besteige den Monte dei Cappuccini, klettere etliche Treppen im Glockenturm des Turiner Doms hoch und besuche die Kirche Gran Madre. Zum ersten Mal seit Beginn meiner Reise bin ich alleine und beim Blick über die Stadt kann ich nachdenken, die vergangenen Wochen Revue passieren lassen.
Ursprünglich war mein Ziel, in vier Wochen vier verschiedene Workaway-Projekte zu machen. Ich musste aber schnell erkennen, dass ich mich damit übernehme. Es kostet viel mehr Energie, mit fremden Menschen zusammenzuwohnen und gleichzeitig für diese zu arbeiten, als ich dachte. Vor allem wenn man wieder aufbrechen muss, nachdem man sich nach einer Woche gerade eingewöhnt hat.
Workaway in Italien: eine Bilanz
Letztendlich habe ich nur die Hälfte der Zeit als Workawayerin gearbeitet. Was aber nicht heißt, dass ich deshalb weniger erlebt hätte. Ich bin meinem Plan insofern treu geblieben, dass ich jeweils nach einer Woche meine Zelte abgebrochen habe und weitergereist bin. Von Süd nach Nord. Ich habe sogar mehr von Italien gesehen, als geplant war. Hinter Paestum, Salerno, Neapel, Porto San Giorgio, Fermo, Rom, Pontassieve, Florenz, Mailand und Turin kann ich erstmal einen Haken setzen. Auch wenn ich bestimmt wiederkomme. Irgendwann.
A presto, Italia. Bella mia.
Ich bin Jana Freiberger, Journalistin, und schreibe auf diesem Blog über meinen Alltag, Reisen und gutes Essen.
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