"Hi its B&B Don Pedro, are you arriving... ?"– was antwortet man auf die Frage eines wartenden Hoteliers, wenn man gerade tief unter der Erde in einer U-Bahn-Station in Neapel feststeckt und vor lauter Aggression gleich Steine nach den maximal lauten Fernsehern wirft, die über den Gleisen installiert sind und einem Pastarezepte entgegenschreien? Richtig, "Hi, we are there in 5 min". Sind ja schließlich in Italien, das kann alles heißen.
Mein Verhältnis zu Italien, zu Süditalien im Speziellen, ist ein wenig schwierig. Nie liegen Euphorie und Verzweiflung bei mir näher zusammen, als bei einem Aufenthalt in dem Land, aus dem die Familie meines Freundes stammt. Was das Ganze noch emotionaler macht, denn raste ich aus, weil beispielsweise jemand drei Stunden zu spät zu einer Verabredung auftaucht, sorgen "Du bist echt so deutsch"-Sprüche für die endgültige Eskalation.
Aufregung im Flugzeug
Diesen Herbst machen wir das dritte Jahr in Folge Urlaub in Italien. Aufregendere Reisepläne fielen dank Corona auch dieses Mal wieder unter den Tisch. An Aufregung mangelt es trotzdem nicht. Zumindest nicht bei der Anreise.
Erst versucht eine italienische Ü70-Reisegruppe, die bei der Sicherheitseinweisung im Flugzeug wohl nicht ganz aufmerksam zugehört hat, den Piloten kurz vor dem Abheben wegen zwei fehlenden Personen zum Anhalten zu bewegen. Dann schnappt sich eine ältere Dame nach der Ankunft in Neapel meinen Koffer vom Rollband, was angesichts dessen Gewichts zwar beachtlich ist, am Ende aber vor allem meinem fragilen deutschen Nervenkostüm schadet.
Anreise nach Neapel
Und dann sind da ja auch noch die öffentlichen Verkehrsmitteln, die wie die Italiener*innen selbst, ganz gerne auf sich warten lassen. Oder wie im Fall des Linienbusses, der uns vom Flughafen ins Zentrum bringen soll, gar nicht erst auftaucht. Also auf in das völlig überteuerte Shuttle, in das sich ausschließlich Tourist*innen quetschen und das bei mir erste leicht klischeebehaftete Gedanken wie "Das hat doch die Mafia eingefädelt" aufkommen lässt.
Der ein oder andere von denen hängt übrigens gerne am Bahnhof von Neapel ab. Zumindest ist das meine Blickdiagnose, als das Shuttle uns auf dem abgeratzten Vorplatz ausspuckt. Nicht ohne Grund haben wir unseren Flug so gelegt, dass wir unsere Unterkunft definitiv noch bei Tageslicht erreichen – auch wenn die U-Bahn diesem Plan fast einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte.
Gefangen in der "Stazione Piazza Garibaldi"
Denn nachdem uns diverse Rolltreppen tief unter die Erde befördert haben, stecken wir erstmal fest. Und ich kann mir keinen schöneren Ort dafür vorstellen. Neapel ist ja schon über der Erde äußerst vertrauenswürdig, viele Meter weiter unten in einer dunkelgrau gestrichenen und spärlich belichteten U-Bahn-Haltestelle fühlt man sich noch um einiges wohler.
Da ist es auch besonders hilfreich, dass es weder eine elektronische Fahrplananzeige noch eine Lautsprecherdurchsage gibt und so völlig unklar ist, ob überhaupt jemals wieder eine U-Bahn kommt. Und sich im Laufe der Zeit immer mehr Menschen in die enge Station quetschen, was meine schon fast verloren geglaubte Platzangst zurückbringt. Die maximal lauten Fernseher, die in Italien einfach an keinem Ort fehlen dürfen, geben mir den Rest.
Endlich, nach etwa einer Stunde werde ich erlöst. Die U-Bahn kommt, die Fernseher bleiben unversehrt und kurze Zeit später stehen wir endlich vor unserer Unterkunft mitten im Stadtviertel "Quartieri Spagnoli". Dass Francesco, unser Gastgeber, mit einer Kippe hinter dem Tresen steht, kaum Englisch spricht und Reiseführer aus den 80ern verteilt, ist nach dieser Anreise nicht mehr als eine Randnotiz.
Ich bin Jana Freiberger, Journalistin, und schreibe auf diesem Blog über meinen Alltag, Reisen und gutes Essen.
Comments